RHS-Geschichte: 100 Jahre Jugendstilpalast der Ricarda-Huch-Schule in Giessen. Anmerkungen zur Geschichte unserer Schule vor dem Hintergrund der Nutzung der verschiedenen Schulgebäude im Laufe ihrer Entwicklung.

Die vorliegende geraffte Zusammenstellung begreift sich nicht als Schulgeschichte der RHS; diesbezüglich wird ausdrücklich auf die Festschriften der Jahre 1920, 1966, 1980, 1982, 1991 sowie auf die Veröffentlichung von B. Spranger „RICARDA-HUCH-SCHULE GIESSEN ; Ein Schulpalast des Jugendstils“ von 1988 verwiesen, aus denen die meisten Daten übernommen wurden. Der Autor möchte hier nur kurz die verschiedenen räumlichen Bedingungen der Schule und einige damit verknüpfte wichtige Entwicklungsdaten wiedergeben, wofür es in seinen Augen im Jubiläumsjahr 2007, aus dem die folgende kleine Chronik stammt, einen dreifachen Anlass gab.

1. Das Hauptgebäude, der Jugendstilpalast, wurde vor 100 Jahren eingeweiht.

2. Wir bezogen in diesem Jahr ein neues Gebäude mit wesentlichen Einrichtungen für eine Ganztagsschule wie z. B Speiseraum, Cafeteria,Schüler-Arbeits-Bibliothek sowie weitere Arbeits- und Rückzugsräume.

3. Das z. Zt. unter dem Namen „Georg Büchner Schule“ bekannte Gebäude in der Schillerstraße wurde vollständig an die RHS zurückgegeben und zukünftig wieder ausschließlich von der RHS genutzt.

Das Zusammentreffen von diesen drei bedeutsamen Ereignissen im Schulleben unserer Schulgemeinde ist für mich Anlass zu einer kurzen historischen Rückschau.

1841 wurde eine „Höhere Mädchenschule“ für Schülerinnen zwischen 6 und 14 Jahren gegründet. Die Schule war bis 1845 im sog. „Neuen Schulhaus“ in der Schulstraße untergebracht (wo in den zwanziger Jahren die Stadtpost stand) und verfügte im 2. Stock über insgesamt zwei Säle.

1845 wurde die sog. „Vorbereitungsschule“ angegliedert, deren Unterricht in einem Saal in der Brandgasse Nr.7 stattfand.

1849 wurde eine „Fortbildungsklasse“ eingeführt. Gleichzeitig zog die gesamte höhere Mädchenschule in ein neues Schulhaus am Oswaldsgarten. Allerdings musste das Gebäude mit einigen Volksschulklassen gemeinsam genutzt werden.

1875 wurden die vier oberen Klassen in ein Gebäude in der Weidengasse (späteres Polizeigebäude) ausgelagert, die fünf unteren Klassen verblieben am Oswaldsgarten.

1880 zieht die „Höhere Mädchenschule“ in ein großzügiges, neu errichtetes Schulgebäude in der Schillerstraße, (heute Haupthaus der Georg Büchner Schule), in dem auf drei Stockwerken etwa 20 vergleichsweise große und helle Schulräume von je ca. 50 qm genutzt werden konnten. Gleichzeitig wurde dabei die Schule in zwei Bildungsgänge geteilt. Zum einen in die „Erweiterte Mädchenschule“ mit den Jahrgängen 5. bis 9 und zum anderen in die „Höhere Mädchenschule“ mit den Jahrgängen 5 bis 10 und einem erweiterten Fremdsprachenangebot. Beide Schulformen basierten dabei auf einer gemeinsamen vierklassigen Grundschule.

Die Zahl der Schülerinnen wuchs von ca. 340 im Jahre 1879 auf etwa 700 im Jahr 1906 an

1907 zog die Schule in das „monumentale Gebäude an der Nord-Anlage, (…) das eine Zierde des ganzen Stadtteils“ bildete. Es war das Zeitalter des Jugendstils und demgemäß wurde in der aufstrebenden Universitäts- und Garnisonsstadt ein Jugendstilpalast errichtet. Nach dem Umzug der „Höheren Mädchenschule“ in das neue Gebäude zogen in das Haus in der Schillerstraße die (Mädchen) Volksschulklassen ein, die bisher in anderen Schulgebäuden in der Stadt unterrichtet wurden. Damit begann an diesem Ort die Geschichte der „Schillerschule“, die diesen Namen allerdings erst 1926 offiziell erhielt.

Inzwischen (1925 bis 1928) änderte sich erneut die Schulorganisation. Die Ausbildung der Mädchen wurde derjenigen der Jungen einer Real- bzw. Oberrealschule gleichgestellt.. Auf vier Jahre Grundschule folgte nun ein sechsjähriger Lehrgang, der „Lyzeum“ genannt wurde. Im Anschluss daran, konnte man die dreijährige „Studienanstalt“ besuchen, die zur Reifeprüfung führte.

Ab 1928 führte die Schule ausschließlich den Namen „Studienanstalt“. In dieser Zeit begann auch eine intensivere Verbindung zwischen der Schillerschule und dem Lyzeum/Studienanstalt, die sich in der Unterstützung bedürftiger Schülerinnen der Schillerschule wiederspiegelte.

Im Jahre 1928 wurde an der „Studienanstalt“ das erste Abitur abgenommen.

1931 wurde an der Schillerschule zwischen dem Haus von 1880 und der bis dahin separat stehenden Turnhalle ein Verbindungsbau mit weiteren Klassenräumen in Betrieb genommen, der die inzwischen gravierende Schulraumnot am dortigen Standort linderte. Später wurden im Keller noch weitere Fachräume eingerichtet.

1945 nach der Katastrophe und dem mitverschuldeten schrecklichen Ende des 2. Weltkriegs lagen die Schulgebäude weitgehend in Trümmern oder waren stark beschädigt. Das Haupthaus der Schillerschule war völlig ausgebrannt und überhaupt nicht mehr zu nutzen. Auch der Jugendstilpalast war schwer getroffen. Der Musiksaal und die Turnhalle waren zerstört; die oberen Stockwerke waren ausgebrannt. Der Schulbetrieb fand in wenigen Kellerräumen und einigen sukzessive notdürftig hergerichteten Räumen im Erdgeschoss statt.

1945 wurde eine Vereinheitlichung der verschiedenen Schultypen in Hessen durchgeführt. Als „Höheren Schulen“ gab es fortan noch das altsprachliche Gymnasium und das Realgymnasium, demzufolge wurde aus der Studienanstalt ein Realgymnasium.

1948 – am 4.November- erhielt die Gießender Mädchenschule (Realgymnasium) einen Namen, der nach dem Willen der damaligen Schulleiterin Frau Dr. Lucie Jacobi zugleich Programm sein sollte: Die Schule führte fortan den Namen Ricarda-Huch-Schule. Die Namensgeberin blieb in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland und übte auf ihre Weise Widerstand gegen das Terrorregime und Solidarität mit den Opfern. Sie lehnte Ehrungen ab und trat aus der Akademie der Künste aus. „Die Eigenschaften, auf die sie höchsten Wert legte, waren Güte, Humor, geistige Anmut und Wahrhaftigkeit“ (Horst Seffrin). Die Benennung der Mädchenschule nach der Historikerin, Schriftstellerin und Nationalsozialismus-Kritikerin Ricarda Huch war Programm und die Schülerinnen sollten nach ihrem Vorbild zur freien Meinungsbildung erzogen werden.

1952 wurde das Haupthaus der Schillerschule wieder eröffnet und stand dem Schulbetrieb uneingeschränkt zur Verfügung. Die Schule entwickelte sich von da an zur gemeinsamen Grund-, Haupt- und Realschule.

1953 wurden die Ruinen der Turnhalle an der Dammstraße beseitigt und das Dach des Hauptflügels geschlossen, so dass wieder in größerem Umfang Schulraum zu Verfügung stand. Dieser Raum reichte jedoch in keiner Weise für die inzwischen stark gestiegene Schülerinnenzahl. 1955 besuchten 1155 Schülerinnen die RHS und lernten dort im Schichtbetrieb, viele waren auch in andere Schulgebäude ausgelagert.

1957 wurden mit den neuen hessischen Bildungsplänen alle höheren Schulen – so auch die Ricarda-Huch-Schule – zu Gymnasien erklärt. Die Oberstufe gabelte sich von nun an in einen neusprachlichen und einen mathematisch-naturwissenschaftlichen Zweig.

1960 wurde der bereits 1958 genehmigte Erweiterungsbau eingeweiht, der auf den Ruinen der alten Turnhalle und des Musiksaales entstand. Hier wurde als Ersatz eine Aula errichtet, die auch als Gymnastikraum genutzt werden konnte, sowie eine für die damalige Zeit, großzügige Lehrerbibliothek, mehrere Physik- und Chemiefachräume, ein Musik-raum und einige Verwaltungsräume.

1967 wurde die neue Sporthalle am Asterweg übergeben.
In den Folgejahren entspannte sich die Lage, die Zahl der Schülerinnen sank deutlich, nicht zuletzt weil inzwischen auch andere höhere Schulen in Giessen Mädchen auf-nahmen.
1968 wurde an der RHS wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Zweig der gymnasialen Oberstufe gebildet,. Damit war des Ende der reinen Mädchenschule eingeläutet. Zukünftig arbeitete die RHS als koedukatives Gymnasium.

1970 erfolgte mit Einführung der Förderstufe eine tiefgreifende Wandlung des Gießener Schulwesens, in deren Folge die Grundschulklassen an der Schillerschule abgebaut wurden. An deren Stelle trat nach der 4. Klasse nun die 2 jährige Förderstufe, in der die bisher unterschiedlichen Haupt-, Real- und Gymnasialklassen der Jahrgänge 5 und 6 zusammen unterrichtet wurden.

1972 – am 1. August- wurde die bisherige Schillerschule und die Ricarda Huch-Schule unter dem Namen „Gesamtschule Gießen Mitte“ zusammengefasst. Die bisherigen Namen wurden offiziell aufgegeben. Gleichzeitig war mit dem neu geschaffenen Schulkomplex an der Damm- und Schillerstraße der Grundstein für die schulform-bezogene (kooperative) Gesamtschule gelegt, ähnlich wie wir sie heute kennen. Zeitgleich zog in das Gebäude der „Schillerschule“ die Georg Büchner Schule (Grundschule) ein, die aus der ehemaligen Grund-, Haupt- und Realschule an der Reichenbergerstraße ausgegliedert wurde, so dass das Gebäude der Schillerschule nur etwa zur Hälfte von der RHS genutzt werden konnte.

Die Schulgemeinde beschloss, die wohl aus verwaltungstechnischen Gründen erhaltene Bezeichnung abzulegen und wieder den Namen „Ricarda-Huch-Schule“ anzunehmen (Festakt 1980). Allein die GGO, die Gesamtschule Gießen Ost, behielt bis heute jenen nach der Himmelsrichtung ausgewählten Namen.

In der Zeit zwischen den 1960er und 1980er Jahrenwurden im Giessener Umland weitere Gesamtschulen eingerichtet, so dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler in der Mittel-stufe deutlich sank. Der Besuch der gymnasialen Oberstufe wurde allerdings attraktiver und die Abiturientenzahlen stiegen auf über 130 an.

Dennoch stand im weiteren Verlauf der 1970er und 1980er Jahre Schulraum in beiden Gebäuden der RHS leer, während an den kaufmännischen Berufschulen in der unmittelbaren Nachbarschaft große Raumnot herrschte.

1982 wurde ein neuer Schulentwicklungsplan veröffentlicht, in dem die Verlegung der RHS zuerst an die BGS in Klein-Linden und dann an die GGO vorgeschlagen wurde. Die Schulgemeinde der RHS setzte sich erfolgreich zur Wehr. Nicht zuletzt Dank der Fraktion der „Grünen“ im Stadtparlament wurden diese Pläne aufgegeben.

1986 endete dieser Streit mit dem Kompromiss: Die RHS wurde nicht verlegt, aber der benachbarten Berufsschule (FFS) wurden 10 Räume im Hauptgebäude der RHS zur Verfügung gestellt (1986 bis 1990).

Zu Beginn der 1990er Jahre hatten die Schülerzahlen der RHS einen absoluten Tiefstand erreicht. Die Schülerzahlen lagen zeitweise bei ca. 650. Die Schulgebäude und die Schuleinrichtung befanden sich in einem durchaus desolaten Zustand. Eine innere und äußere Erneuerung war überfällig. Dies erkannte auch der Schulträger und begann 1993 im Rahmen einer Grundsanierung der Feuerschutzeinrichtungen, sowie der Elektro- und Sanitärinstallation Sanierungsvorschläge auszuarbeiten, die auch Aspekte des Denkmalschutzes berücksichtigten.

1995 begannen nach vorausgegangenen, gründlichen Planungsarbeiten, die entscheidend von der Schule mitgestaltet wurden, die Sanierungs- und Umbauarbeiten in den Gebäuden in der Dammstraße. Unter laufendem Betrieb wurde bis 2001 die gesamte Schule auch unter Denkmalschutzaspekten gründlich renoviert und zum Teil umgebaut. Die Naturwissenschaften wurden im 60-er-Jahre-Neubau zusammengefasst, die Abteilung Musik wurde in größere Raume in das Haus B verlegt, EDV Räume wurden eingerichtet, die Verwaltung wurde auf die weniger attraktive Seite der Nordanlage verlegt, die LMF-Bibliothek wurde erweitert und das geheiligte Refugium der Lehrebibliothek wurde zur Lehrer-Schüler-Arbeitsbiliothek umgewidmet und fortan für alle geöffnet.

2001 wurden diese Arbeiten erfolgreich abgeschlossen. Inzwischen war die Schülerzahl auf über 1000 angestiegen.

2003 wurde mit den Sanierungs- und Umbauarbeiten in Haus B (Georg Büchner Schule) begonnen. Hier wurde das 2. Treppenhaus erweitert, so dass weitere Räume im Dachgeschoss genutzt werden konnten und gleichzeitig wurden im Souterrain neue Werk- und Gruppenräume geschaffen. Auch diese gründliche Renovierung geschah unter laufendem Schulbetrieb.

2004 waren die Renovierungen weitgehend abgeschossen. Inzwischen begann sich die Gießener Schullandschaft erneut zu ändern. Die Förderstufen an den traditionellen Zubringerschulen (Pestalozzischule, Uhlandschule, Wilhelm-Leuschne -Schule) wurden geschlossen und die großen Gesamtschulen (LIO, Herder und LLS) wurden zu reinen Gymnasien zurückentwickelt.

Das bedeutete, dass es in der Jahrgangstufe 7 an der RHS keine Neuaufnahmen mehr für den Gymnasialzweig gab. Demzufolge musste die RHS entschieden ihre eigene Förderstufe weiterentwickeln, um einerseits als Kooperative Gesamtschule in der Mittelstufe weiterhin in den drei Schulzweigen jeweils eine Parallelklasse anbieten zu können und andererseits auch die gymnasiale Oberstufe mit Schülerinnen und Schülern aus dem eigenen Hause hinreichend zu versorgen.

Steigerung der Attraktivität und Expansion waren angesagt. Die schon seit einigen Jahren erfolgreich betriebene Weiterentwicklung der Schule durch den kontinuierlichen Aufbau eines Ganztagsangebotes mit attraktivem Wahlpflichtangeboten zeigte Wirkung und es etablierte sich eine wahrhaft kooperative und durchlässige, pädagogisch begründete Schulorganisation. Vor diesem Hintergrund und nicht zuletzt auch durch eine inzwischen hervorragende Ausstattung gelang es dem stark verjüngten Kollegium die Attraktivität der Schule deutlich und nachhaltig zu steigern.

Seit 2002 liegt die Schülerzahl konstant bei über 1100 Schülerinnen und Schülern, die leider in zunehmender Zahl in Containern unterrichtet werden mussten.

2003 stellte die Schule gemeinsam mit dem Staatlichen Schulamt und dem Schulträger erstmals den Antrag auf Umwandlung in eine Ganztagsangebotsschule und beantragte beim HKM. für diese Aufgabe den Bau eines zusätzlichen „Ganztagsgebäudes“.

2005 wurde mit dem Bau des neuen Schulgebäudes in der Dammstraße begonnen, das mit nahezu 90 % aus Sondermitteln der „Initiative Zukunft: Betreuung und Bildung“ der Bundesregierung finanziert wurde und in dem sich wesentliche Teile der notwendigen Infrastruktur einer Ganztagsschule befinden (Speiseraum, Cafeteria, Bibliothek, Kurs- und Rückzugsräume).

2007 – am 20 August- wurde dieses Gebäude in Betrieb genommen.

2007 – ebenfalls am 20. August – nahm die Georg Büchner Schule ihren Unterrichtsbetrieb in neuen Räumen an ihrem ursprünglichen Standort in der Reichenbergerstraße auf. Damit kehrte die RHS wieder exklusiv in die Räume der ehemaligen „Höheren Mädchenschule“ von 1880, alias Schillerschule, alias Büchnerschule zurück. In der RHS wurden nunmehr ca. 1250 Schülerinnen und Schüler unterrichtet und zum ersten Mal seit mehr als 10 Jahren standen wieder ordentliche Unterrichträume in ausreichendem Maße zur Verfügung. Gleichzeitig wurden die Schulhöfe von den Containern befreit, so dass dort angemessene Pausen-, Aufenthalts- und Bewegungsflächen hergerichtet werden konnten.

Angekommen im Jahre 2009 (Das Ende dieser kleinen Chronik – vorerst) – Ein weiterhin noch bestehendes dringendes Anliegen bleibt allerdings noch offen, nämlich die Errichtung einer weiteren Sporthalle in unmittelbarer Nähe zum Schulgebäude. Diese könnte gemeinsam mit den beruflichen Schulen in der Nachbarschaft genutzt werden und die nach wie vor unvermeidbare Auslagerung des Sportunterrichts könnte deutlich verringert werden.

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